Annelies Stutzriemer, Jahrgang 1920, erlebte die Luftangriffe in der Dresdner Neustadt.
Ich wohnte damals bei meinen Eltern auf der Talstraße Nummer 8 in der Äußeren Dresdner Neustadt. Es schien, als hätten die Leute schon den ganzen Tag über eine Ahnung, dass etwas passieren könnte. Aber an so etwas hatte niemand gedacht. Es wurde gegen zehn Uhr am Abend und der Rundfunk gab regelmäßig die aktuellen Luftmeldungen durch. Plötzlich hieß es „Mehrere Bomberverbände nähern sich der Stadt“. Diese Meldung traf uns wie ein furchtbarer Schlag. Wir schnappten unsere Koffer, die wir schon dastehen hatten und einige Taschen, die wir noch mit in den Kellern nehmen konnten. Dort hockten wir dann ängstlich beieinander und es dauerte nicht lange bis Feueralarm gegeben wurde. Es krachte ununterbrochen und der Lärm kam immer näher. Die Angst wurde immer schlimmer. Und als es etwas ruhiger wurde, konnte man erst einmal rausschauen was geschehen war. Bis es jedoch soweit war dauerte es ziemlich lange. Es wurde zur Ewigkeit. Draußen haben wir dann gesehen, dass auf unserer kleinen Straße ein Haus, in welchem sich eine Bäckerei befand, getroffen war. Das Haus war nicht zertrümmert, aber es brannte langsam und niemand konnte mehr etwas herausholen. Schnell wurde eine Eimerkette gebildet und versucht noch etwas zu retten. Meine Schulfreundin Lotti, die in unmittelbarer Nähe wohnte, und ich halfen ebenfalls mit. Aber es erwies sich bald als sinnlos mit Eimern überhaupt etwas zu machen. In den nächsten Tagen haben wir das Haus dann abbrennen sehen. Jeder versuchte an seinem Haus etwas zu retten, aber es war unmöglich. Alle mussten sich erst einmal durchkämpfen. In derselben Nacht war auch der Zirkus Sarrasani, damals ein großes massives Gebäude auf der König-Albert-Straße, zerstört worden. Noch am Tage hatte es eine Vorstellung gegeben. Bei Alarm sind die Künstler und Mitarbeiter in den Keller des Gebäudes und nachdem es vorbei zu sein schien an die Elbwiesen geflüchtet. Auch die 43.Volksschule wurde zerstört.
Dann kam der zweite Angriff und die Angst wurde noch größer. Jeder dachte „Jetzt haben sie schon so viel weggebombt, da werden sie unsere paar Häuser die noch stehen auch bald sehen“. Wir fürchteten, dass am Ende nicht mehr viel übrig bleibt. Am nächsten Tag kam der Mittagsangriff. Von der Elbe her flogen die Bomber heran. Bei diesem Angriff wurden mehrere Häuser in unserer Straße getroffen. Ich erinnere mich, dass die Nummern 11 und 12 durch Sprengbomben vollkommen zerstört waren, sowohl das Vorder- als auch das Hinterhaus. Die Straße war vollkommen verschüttet, keiner konnte mehr durchlaufen. Meine Schwester, die damals im Teilewerk arbeitete, hatte man nach Hause geschickt. Als sie ankam, kam sie erst einmal gar nicht auf die Straße, denn an ein Durchkommen war nicht zu denken. Mit der Angst, nicht zu wissen welche Häuser getroffen waren, musste sie über die Kamenzer Straße wieder zurücklaufen. Wir haben uns dann später wieder gefunden. Das Erlebte haben wir nie vergessen.
Annelies Stutzriemer
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